Im Oktober fand zum vierten Mal eine Veranstaltung der jährlichen Symposiumreihe ‘Trends in der Minimal Invasiven Medizin’ statt, dieses Mal zum Thema ‚Digitalisierung im OP‘. Sie ist eine Kooperation der TU Berlin, Fachbereich Medizintechnik, Berlin Partner sowie WOM und bietet einen Austausch zwischen Fachleuten aus Medizin und Medizintechnik.
Herr Prof. Kraft: Das Thema des diesjährigen Symposiums ‚Trends in der Minimal Invasiven Medizin‘ lautete ‚Digitalisierung im OP‘. Wie erklären Sie Nicht-Insidern, um welche Aspekte es dabei vorrangig geht?
Die Digitalisierung, d.h. die zunehmende Nutzung digitaler Technologien vom digitalen Sensor bis zum mobilen Endgerät, kennzeichnet aktuell zahlreiche Branchen und begegnet uns auch im alltäglichen Leben als Verbraucher. In unserem diesjährigen Symposium ‚Trends in der Minimal Invasiven Medizin‘ ging es um die Herausforderungen und Chancen dieser Technologien in einem hoch entwickelten, innovativen Segment der Medizin, in dem ein wichtiges Ziel in der Verringerung von operationsbedingten Traumata der Patienten liegt. Es gibt hier zahlreiche Besonderheiten der Nutzung digitaler Technologien, über die sich innerhalb des Symposiums Experten aus Wissenschaft, medizintechnischer Wirtschaft und medizinischer Anwendung austauschten.
Welchen Nutzen sahen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Symposiums in der Digitalisierung für Patienten und OP-Teams?
Die Vorteile digitaler Technologien konnten nach Referaten eines Innovationsmanagers aus einem großen Medizintechnikunternehmen, eines Leiters des Geschäftsbereichs IT einer großen Klinikkette und von Wissenschaftlern der TU München und der Universität Rostock in einer Podiumsdiskussion zusammengefasst werden. So ist die Digitalisierung in der Lage, ganz unterschiedliche Vorteile zu bieten. Die Therapie kann durch eine erweiterte Sensorik, Navigationssysteme, die Automatisierung von Prozessen, Robotiksysteme und Anwendungen der Augmented Reality unterstützt werden. Entscheidungsprozesse werden durch die nun viel einfachere Datenerhebung und -verarbeitung sowie Anwendungen der künstlichen Intelligenz unterstützt. Auch die Verfügbarkeit von Daten im Rahmen von Entscheidungsprozessen wird z.B. durch mobile Geräte verbessert. Organisationsprozesse profitieren von einfacheren Prozessdokumentationen und –bewertungen mit Bezug auf das Qualitätsmanagement. Die Steuerung von Prozessen vereinfacht sich, Operationsplanungen werden erleichtert und ganze Netzwerke der IT-Infrastruktur sichern in Krankenhäusern den Datentransfer, die Datenverarbeitung und die Kommunikation. Auch digitale Produktionsprozesse, insbesondere die Additiven Fertigungsverfahren, bieten zahlreiche neue Optionen, wie die Individualisierung des OP-Instrumentariums. Für alle genannten Chancen der Digitalisierung stellten die Referenten verschiedene Beispiele vor.
Ist die Digitalisierung dabei nur Segen oder kann sie auch Fluch sein?
Die Digitalisierung ist kein Fluch, sie besitzt aber einige Herausforderungen, die zu bewältigen sind und über die im Symposium diskutiert wurde. Beispiele hierfür sind die hohen Anforderungen an die Datensicherheit und den Datenschutz. Im Zusammenhang mit Anwendungen der künstlichen Intelligenz wurde über den möglichen „Know-How“-Verlust bei Anwendern mit ihrer natürlicher Intelligenz, die dann seltener gebraucht wird, gesprochen. Sofern Methoden des maschinellen Lernens zum Einsatz kommen, ist die Nachvollziehbarkeit von Berechnungsergebnissen zu gewährleisten und auch eine Prozessvalidierung zwingend erforderlich. Wird mit digital unterstützten OP-Prozessdokumentationen eine Optimierung vorgenommen, kann diese auch als Bevormundung empfunden werden und zur weiteren Verdichtung von Arbeitsprozessen führen. Digitale Fertigungsverfahren können Wertschöpfungsketten und auch Rollenverteilungen von Akteuren grundsätzlich ändern. Es wird bei der Einführung zahlreicher digitaler Technologien ein Changemanagement erforderlich. Auch die Finanzierung neuer digitaler Systeme kann eine Herausforderung darstellen.
Welche Erwartungen hat die Medizin bezüglich der Digitalisierung an Medizingerätetechnik- Entwickler wie WOM oder Institute wie Ihr Fachgebiet der TU?
Die Digitalisierung wird sich durchsetzen, unabhängig davon, ob wir die damit verbundenen Herausforderungen angehen wollen oder nicht. So besteht eine wesentliche Erwartung der Medizin an Medizintechnikentwickler darin, die Potenziale dieser Technologien zu erkennen und zeitnah in innovativen technischen Lösungen zu nutzen. Obwohl einige Innovationshürden in der Medizintechnik, wie hohe regulatorische Anforderungen und Sicherheitsnormen, Entwicklungsprozesse neuer, bisher unbekannter Technologien verzögern, erwartet der medizinische Anwender, dass auch in der Medizin digitale Neuerungen sofort verfügbar werden.